Angesichts des massiven Handlungsbedarfs finden sich politischen Berlin immer mehr Anhänger eines eigenen Digitalministeriums. Dieses war auch sicher Gegenstand der Sondierungsgespräche und wird in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen.
In der letzten Legislatur unter Kanzlerin Merkel war in einer Art Hau-Ruck-Aktion eine Art Vorstufe entstanden. Mit der jungen CSU-Politikerin Dorothee Bär war erstmals eine im Bundeskanzleramt angesiedelte Staatsministerin dediziert für Digitalisierungsthemen berufen worden.
Eine Digitalisierungs-Staatsministerin ohne Macht und Einfluss
Wenn über ein künftiges Digitalministerium diskutiert wird, kann man es deshalb kaum ohne einen bewertenden Blick auf die Arbeit von Dorothee Bär als Staatsministerin machen. Eingekesselt vom Chef und der mächtigen Abteilung 6 des Kanzleramts blieb wenig Spielraum für Profilierung. Und so war die Digitalisierungs-Staatsministerin überall ein bisschen dabei, insbesondere, wenn Kameras dabei waren, hatte aber inhaltlich wenig Einfluss.
Das sogenannte Digitalkabinett, das wesentliche Entscheidungen zur Digitalisierung des Landes auf den Weg bringen sollte, tagte in den zurückliegenden vier Jahren gerade einmal acht Mal. Die Gesamtbilanz seiner Arbeit ist ebenso glanzlos wie die des ebenfalls damals neu geschaffenen Digitalrats. Er sollte die Bundesregierung beim Thema Digitalisierung beraten.
Digitalisierung muss Chefsache in jedem Ministerium werden
All dies ist zunächst erst einmal kein ausreichender Grund, ein Digitalministerium rundweg abzulehnen. Vielmehr findet sich ein Teil der Antwort im Artikel 65 des Grundgesetzes. „Demnach lässt sich die Funktionsweise der Bundesregierung in drei grundlegende Prinzipien fassen: 1. das Ressortprinzip: Die Ministerin oder der Minister tragen die Verantwortung für die Führung des Ministeriums. 2. das Kabinettsprinzip, das heißt die Debatte und Abstimmung aller Minister unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers über Angelegenheiten von allgemeiner Bedeutung einschließlich aller Gesetzentwürfe und 3. die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers. Diese drei Prinzipien überschneiden sich und können in unterschiedlichen Regierungsstilen akzentuiert werden.“
Daraus ergibt sich die Frage, was ein isoliertes Digitalministerium tatsächlich ausrichten könnte. Ohne eine Grundgesetzänderung, die die alleinige Ressortzuständigkeit der Minister und Ministerinnen aufheben würde, wäre ein Digitalministerium völlig machtlos. Weil der Minister lediglich als eine Art Bittsteller an den Türen der anderen Ministerien würde klopfen können und auf eine wohlwollende Zusammenarbeit angewiesen wäre. Es gab Überlegungen, dass ein zukünftiges Bundesministerium für digitale Innovation und Transformation eine „Umsetzungseinheit für konkrete digitalpolitische Projekt sein (soll), wie beispielweise für die Corona-App oder den elektronischen Personalausweis“.
Wirksame Behördenzusammenarbeit organisieren
Wie sich solche Projekte, die eine behördenübergreifende Zusammenarbeit erfordern, praktisch umsetzen lassen sollen, bleibt offen. Anordnen in anderen Häusern könnte ein Digitalminister herzlich wenig. Damit wäre der Digitalisierung ein Bärendienst erwiesen: Die Führungsverantwortung jedes Ressortministers für die Digitalisierung würde auf ein Einzelministerium übertragen. Damit wäre ein Digitalministerium nur ein politisches Schauspiel – mutmaßlich ohne Happy End.
Ein zentrales Digitalisierungsministerium würde zudem dem grundlegenden Gedanken einer ganzheitlichen Digitalisierung auch zutiefst widersprechen. Die digitale Führung gehört in jedes einzelne Ministerium, an die Spitze. In jedem Ressort einer Bundesregierung muss das Thema Digitalisierung direkt im Ministerbüro, am besten noch auf dem Schreibtisch des Ministers oder der Ministerin selbst verankert sein. Digitalisierung muss in jedem Ministerium Chefsache sein. Und die einzelnen Häuser sollten sich – am besten schon in den Koalitionsverhandlungen – auf konkrete Ziele zur Digitalisierung festlegen, an deren Erreichung sie auch gemessen werden könnten.
Mehr zu diesem Thema gibt es in unserem Buch „Deutschlands digitales Desaster“ oder unter www.digitales-desaster.de.
Ihre Meinung ist gefragt
Ich freue mich darauf, Eure Meinung zu dem Thema kennenzulernen. Was spricht für und was gegen ein zentrales Digitalisierungsministerium?